Rahmenprogramm 2018

RAHMENPROGRAMM 2018

KEYNOTE | Dr. Paolo Favero | Universität Antwerpen

DAS SCHICKSAL VON „ROHEM“ FILMMATERIAL:
REFLEXIONEN AUS INDIEN ÜBER DOKUMENTARFILM, PARTIZIPATION UND INTERESSENSVERTRETUNG

Unsere digitalisierten Lebensräume zeugen von einer Ökologie der Bilder, die durch gänzlich neue Praktiken der Bildgestaltung, Interaktivität und Partizipation gekennzeichnet ist. Doch was bedeutet das für die Art und Weise, wie sich ethnographischer Dokumentarfilm in der Praxis entwickelt, und vor allem für sein Potential, soziale Interventionen und Interessenvertretung zu fördern? 

2002, nach dem Gemetzel in Gujarat/Indien, erstellte eine kleine Gruppe von Künstler-AktivistInnen, frei von politischer Einflussnahme, eine audiovisuelle Datenbank mit dem Ziel, Material zu generieren, das von FilmemacherInnen, AnwältInnen, Menschenrechtsorganisationen u.a. verwendet werden konnte. Dennoch erzielte dieses Archiv der Shared Footage Group nicht die gewünschte Wirkung. Favero nimmt dies zum Anlass, über das Schicksal von nichtlinearem, interaktiv erzeugtem Filmmaterial nachzudenken. Kann Rohmaterial ohne bereits implizites Narrativ überhaupt existieren? Kann Dokumentarfilm in Abwesenheit von AutorInnenschaft leben? Was ist die Zukunft des Dokumentarfilms in einer Welt, die sich durch die Verschmelzung von Digitalem und Visuellem auszeichnet?


MASTERCLASS | David Fedele | Filmemacher | Australien

WHOSE STORY IS IT?
A QUESTION OF REPRESENTATION, RESPONSIBILITY AND AUTHORSHIP

David Fedele ist 2018 bereits mit seinem dritten Film zu Gast der ethnocineca. Seine Filme kann man am besten als ‚Cinematic Journalism‘ beschreiben. Er strebt danach seinen ungefilterten Blick auf die Welt zu zeigen, auf der Suche nach einer Form der „Wahrheit“ … ein Wort das so schwer zu definieren ist – ein Konzept das letzten Endes nicht existiert. Der rapide Fortschritt der Technologie bringt die Grenzen zwischen FilmemacherInnen und Protagonisten ins Schwanken, und zwingt FilmemacherInnen sich selbst und Konzepte der Ethik herauszufordern und zu hinterfragen wie nie zuvor. 

Wir leben in einer Welt in der wir von Bildern, Geschichten und Informationen bombardiert werden, die uns allesamt erklären wollen was um uns herum los ist und und uns zwingt ans äußerste zu gehen, um neue, kreative Wege zu finden Geschichten zu erzählen. Was ist also der verantwortungsvolle Weg, um diese Geschichten zu teilen. Welche Geschichte erzählen wir und weshalb und was gibt uns das Recht? Ein Blick in die Arbeit und den Diskurs des Filmemachers David Fedele.


PODIUMSDISKUSSION

VISIONEN, TECHNOLOGIEN, FORMATE – STORYTELLING IM INNOVATIVEN DOKUMENTARFILM

ethnocineca und dok.at laden zum gemeinsamen dok.point ins Volkskundemusem Wien. Augmented Reality, Animationen und Open Source: Neue Technologien, Kollaborationen und Plattformen ermöglichen die Entwicklung außergewöhnlicher Formate im dokumentarischen Film. Wie werden Erzähltechniken neu gedacht und kombiniert? Wer entwickelt innovative Narrative für welches Publikum und auf welchen Kanälen werden sie zugänglich gemacht? Regisseurin Alexandra D’Onofrio ist mit It was tomorrow auf dem Festival vertreten, ein Film in dem gemeinsam mit drei ägyptischen Flüchtlingen kollaboratives Filmschaffen praktiziert wird und kreative Erzählformen wie Theater, Animation und Photographie zusammentreffen, um sich Erinnerungen und Fantasien anzunähern. Marion Guth ist Produzentin bei a_BAHN, die sich auf verschiedene Formen des kreativen Erzählens im non-fiction Bereich spezialisiert hat und damit international Erfolge feiert. Dritter Diskutant ist der Wiener Filmemacher Ascan Breuer vom Dokumentarischen Labor, das sich in Theorie und Praxis mit experimentellen Herangehensweisen im Dokumentarfilm beschäftigt. Im vergangenen Jahr hat er das UNDOX-Festival gegründet, das sich speziell mit innovativen Methoden des Dokumentarischen auseinandersetzt. Gemeinsam diskutieren sie, wie Methoden und Fragen rund um dokumentarische Erzählungen im 21. Jahrhundert neu verhandelt werden können.

TeilnehmerInnen:
Ascan Breuer, Dokumentarisches Labor, UNDOX Festival
Alexandra D’Onofrio, Filmemacherin
Marion Guth, a_BAHN


FILM FESTIVAL IN EXILE: SYRIA

SIEBEN JAHRE HUNGERSNOT, SIEBEN JAHRE ÜBERFLUSS?!
Eine filmische Annäherung an den syrischen Aufstand (2011-2018)

Sieben Jahre ist Syriens Bevölkerung unter Beschuss. Was 2011 mit friedlichen Demonstrationen begann, entwickelte sich zu endlosen Zyklen von Schmerz und Verlust. Niemand hätte gedacht, dass der Wind des Frühjahrs 2011 zu einem Sturm werden würde, der das Leben in Syrien grundlegend erschüttern wird. Die großen Proteste, in denen die Bevölkerung nach politischer Veränderung drängte, wurden mit brutaler Gewalt und internationaler Ignoranz konfrontiert. Während in anderen Ländern des arabischen Frühlings teils bemerkenswerte politische Veränderungen entstanden, war dies in Syrien nicht der Fall und die anfangs friedlichen Demonstrationen konnten das Regime zu keinen politischen oder sozialen Veränderungen bewegen. In scheinbar endlosen Spiralen der Gewalt versuchen ZivilistInnen zwischen Diktatur, internationalen Machtspielen und dem Fundamentalismus des sogenannten Islamischen Staats zu leben und zu überleben.

Mit Beginn der Aufstände entstand auch eine andere Bewegung, ein filmischer Coup d’état. Eine dokumentarische Revolution, in der junge syrische FilmemacherInnen versuchen alles festzuhalten: die Auseinandersetzungen mit den Streitkräften, den Alltag, die gewaltsame Reaktion auf friedliche Proteste, die Verweigerung der Existenz der IS, den Schmerz, den Verlust, die kleinen Siege und die endlosen Enttäuschungen. Mit Hilfe neuer Technologien, ihrer Mobiltelefone und 5Ds entstanden so in einer Kriegszone, in der ausländische Medien verboten sind, unzählige Filme und Geschichten, die versuchen ihren Weg in die Kinos der ganzen Welt zu finden.

Zu Gast bei der ethnocineca2018 zeigt das Filmfestival in Exile: Syria drei dieser beeindruckenden Filme, die uns an der menschlichen Seite der syrischen Katastrophe teilhaben lassen. Mit diesen Filmen fragen syrische FilmemacherInnen, ob die Erfahrungen des Schmerzes, des Verlustes und des Todes noch die Kraft für ein neues Syrien beinhalten.

Filme
A SYRIAN LOVE STORY
HAUNTED (MASKOON)
IMMORTAL SERGEANT

PODIUMSDISKUSSION
SIEBEN JAHRE HUNGERSNOT, SIEBEN JAHRE ÜBERFLUSS?!

Wir freuen uns die FilmemacherInnen Sean McAllister (A Syrian Love Story) und Liwaa Yazij (Haunted) zum Gespräch im Weltmuseum Wien begrüßen zu dürfen. Gemeinsam sprechen wir über ihre persönlichen Perspektiven auf die letzten sieben Jahre, die Situation von Filmschaffenden in Syrien und was es bedeutet, als FilmemacherIn im Exil zu leben.


Im Gespräch 

HISTORISCHES MATERIAL – NEUE ERZÄHLUNGEN:
AUTOR/IN UND SUBJEKT IM HISTORISCHEN DOKUMENTARFILM

Die Lebendigkeit von Archiven, Konservierung und Rekontextualisierung von ethnographischem Filmmaterial, wirft viele Fragen auf. Wie können wir historisches Material verwenden? Vor welchen Herausforderungen stehen wir, wenn historische Dokumente in einer anderen, in einem neuen politischen Kontext als jenem Zeit analysiert werden, in welchem sie entstanden sind? Wer erzählt die Geschichten und wie können wir Daten kritisch im Jetzt betrachten ohne deren Entstehungskontext zu negieren? Welche Diskrepanzen entstehen zwischen gelebtem Leben, audio-visueller Dokumentation und Kommentaren der ForscherInnen, die, wie im Fall des Marquis, dazu dienen, den exotisierenden Blick der Öffentlichkeit zu befriedigen?

Ausgehend von Grace Winters und Luc Plantiers Film Marquis de Wavrin. Du Manoir à la Jungle über historisches Filmmaterial aus Lateinamerika und den in Vergessenheit geratenen Entdecker, Filmemacher und Anthropologen Marquis de Wavrin spricht der Kulturphilosoph Tom Waibel mit Grace Winter über AutorInnenschaft, Archivierung und die Neubelebung und Vermittlung historischen Filmmaterials.

Es diskutieren:
Grace Winter, Filmemacherin, Marquis de Wavrin. Du Manoir à la Jungle
Tom Waibel, Kulturphilosoph


Vortrag | Dr.inAngela de Souza Torresan

GUTO AND GRAÇA: STORYTELLING IM ETHNOGRAPHISCHEN FILM

Es mag eine tautologische Behauptung sein, dass ethnographische Filme eine Form des Geschichtenerzählens sind. Eine Form, die Gleichzeitigkeit und Linearität zwischen Bildern und Wörtern kombiniert. In Anlehnung an Guto und Graça, einem neun-minütigen Film über den Einfluss der Slum-Gentrifizierung in Rio de Janeiro, argumentiert sie, dass ethnographischen Filmen die Elemente des Geschichtenerzählens im Sinne von Arendt und Jackson innewohnen. Sie arbeiten als vielschichtige Handlungsformen (Arendt, 1958), die das Persönliche und Politische in den verschiedenen Phasen von Produktion, Postproduktion und Distribution miteinander verbinden. Während Torresan die ersten beiden Aspekte bereits auf- und durchgearbeitet hat, nähert sie sich dem dritten Aspekt, der Distribution und Rezeption, anhand eines Experiments mit dem anwesenden Publikum, in dem sie versucht ihre Theorien zu beweisen.


AWARD CEREMONY

In feierlichem Rahmen werden die Preise für die Gewinnerfilme der fünf Wettbewerbskategorien IDA, EVA, ADA, ISA und ESSA.